Zum Konzert am 25.05.2015

Pfingstworkshop - Abschlusskonzert auf gut Deutsch

„Deutsch ist, ich bitte untertänigst um Vergebung, zu primitiv für den Gesang. Italienisch ist für die Oper die angemessene Sprache“ Das lässt Miloš Forman in seinem Spielfilm „Amadeus“ die kaiserlichen Hofmusiker sagen, um den Geist jener Zeit zu demonstrieren. Wenngleich diese Ansicht bereits im 17. Jahrhundert hier und da zu bröckeln begann, so entstand doch erst im Zeitalter der Romantik eine größere Zahl an Werken in deutscher Sprache.

Der 12. Pfingstworkshop Gesang von Britta Jacobus und Dietmar Vollmert wollte sich diesmal ganz bewusst diesen deutschsprachigen Opern widmen. Daneben wünschten sich die Veranstalter aber auch Lieder von Johannes Brahms. Die Teilnehmer konnten sich die Stücke selber aussuchen, bevor sie das gesamte Pfingstwochenende mit den beiden Dozenten sowie den Pianisten Friederike Wiesner und Norbert Henß an den Feinheiten ihrer Darbietungen bis zu größtmöglicher Bühnenreife arbeiteten. Die Sängerinnen und Sänger sind keine Profis. Sie singen „nebenberuflich“. Fast alle nehmen seit mehr oder minder langer Zeit Gesangsunterricht. Es waren diesmal aber auch „Neulinge“ dabei, die sich im letzten Jahr vom Zuschauerraum aus für diese Veranstaltung begeisterten. Die Möglichkeit, sein Können vor einem interessierten Publikum zu präsentieren, trägt viel zum Reiz und zur anhaltenden Beliebtheit dieser Workshops bei. Dabei ist die Atmosphäre locker, geradezu freundschaftlich, aufgrund seit Jahren gewachsener persönlicher Kontakte der Teilnehmer untereinander einerseits, aber auch zu einem Dozenten-Duo, das motiviert, lehrt und inspiriert. Dafür ist dieses Seminar längst über die Grenzen Deutschland hinaus bekannt. Ein derartiges Angebot für Laiensänger findet man eben nicht an jeder Ecke.
Höhepunkt und Ziel sollte wie immer das Konzert am Pfingstmontagabend sein. Acht Frauen der Stimmlagen Sopran und Mezzosopran sowie zwei Tenöre und ein Bariton erwarteten um 17 Uhr ihr Publikum im Rat- und Bürgerhaus. Die meisten von ihnen sind in Kriftel inzwischen gut bekannt. Immer wieder treten sie bei Dietmar Vollmerts Konzerten auf. So lässt sich auch ihre stimmliche Entwicklung von Mal zu Mal live miterleben.
Etwa 60 Musikbegeisterte, nicht nur aus Kriftel, füllten sämtliche Reihen im Zuschauerraum. Das Programm machte neugierig. Sechs Liedern von Johannes Brahms sollten Arien aus bekannten Opern wie Mozarts Zauberflöte (1791), Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel (1891), Webers Freischütz (1821)und Die lustigen Weiber von Windsor (1849) folgen. Dazwischen standen aber auch Arien aus weniger häufig gespielten Opern, Carl Maria von Webers Oberon etwa oder dessen türkische Oper Abu Hassan von 1822 im Programmheft. Und wem Der Kuhreigen (1911), Der Evangelimann (1895), beide von Wilhelm Kienzl oder eine Oper namens Der Vampyr (1828, Heinrich Marschner) nichts sagte, durfte sich in bester Gesellschaft wissen. Auch Britta Jacobus gestand in ihrer Moderation, dass ihr diese Werke bislang völlig unbekannt waren.
Die eröffnenden sechs Brahms-Lieder zeigten die ganze Vielfalt des Komponisten. Die 16-jährige Ellen Geisel hatte sich das fröhliche „Ständchen“ ausgesucht, das sie mit der gleichen Präzision sang, wie beispielsweise Frauke Link, die allerdings mit etwas mehr Stimmvolumen das romantisch-melancholische „Immer leiser wird mein Schlummer“ darbot. Sehr melodiös wurde es bei dem folgenden Liebeslied „Sonntag“, das der Grazer Silvester Tagger mit fast schon professioneller Sicherheit vortrug. Ihm folgte ein lebhaftes Lied, das Gisela Starke frei stehend und gestenbetont präsentierte. Mit einer volksliedartigen Einfachheit begann Annette Becks Vortrag des Liedes „Von ewiger Liebe“, dessen romantischen Text sie mit ihrer kräftigen, dunklen Stimme sauber führte. Die steigende Dramatik des Stückes wurde nicht zuletzt durch Friederike Wiesners virtuose Klavierbegleitung lebendig. Olesja Burghof schloss den Reigen mit dem sehnsüchtigen „Die Mainacht“. Ihre voluminöse Stimme mit den samtweichen Höhen begeistert das Publikum immer wieder.
Nun schloss sich der Opern-Teil des Konzertes an. Leonie Herzog und Carsten Vollmert interpretierten Mozarts „Duett des Papageno und der Papagena“ mit schönen Stimmen und innigem Spiel. Ebenfalls aus der Zauberflöte entnahm Klaus Gallenbacher die Arie des Tamino. „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ sang er zur Empore hinauf, wo Leonie Herzog stumm die Pamina mimte. Für das dritte Mozartstück zerrte Carsten Vollmert alias Sultan Soliman seine Sklavin Zaide in Gestalt von Britta Stegmann in Handfesseln auf die Bühne. Diese begann dort die verzweifelte und trotzige Arie „Tiger! Wetze nur die Klauen!“ Die Oper Zaide wird oft als ein unvollendet gebliebener Vorläufer des zwei Jahre später komponierten Singspiels Die Entführung aus dem Serail bezeichnet, da beide Handlungen Ähnlichkeiten aufweisen.
Aus der komischen Oper Abu Hassan wurden dem Publikum ebenfalls mehrere Arien vorgestellt. Abu Hassan, Günstling des Kalifen und Fatime, seine Ehefrau haben Geldsorgen, da er das ganze Geld verprasst. Darüber gibt es natürlich Streit, der in einem Duett über Wasser und Brot humorvoll aufgearbeitet wird. Britta Stegmann und Carsten Vollmert zeigten hierbei als „Traumpaar“ wieder einmal neben einem perfekten musikalischen Vortrag ihre ganze Spielfreude. Britta Stegmann kam als Stewardess gekleidet mit einem Getränkewagen aus dem Flugzeug den Flur entlang und fragte einzelne Zuschauer, ob sie Wasser trinken oder Brot essen wollten, bevor Carsten Vollmert von der Bühne aus mit „Liebes Weibchen, reiche Wein“ den witzigen, gesungenen Dialog begann. Mit den Worten „Wein gibt es nur in der ersten Klasse“ schiebt Stewardess „Fatime“ ihr Wägelchen anschließend wieder hinaus. Nun erzählt die Oper weiter, dass es üblich ist, dass das Kalifenpaar bei einem Todesfall den Hinterbliebenen eine größere Summe zukommen lässt. Daher ersinnen Abu Hassan und Fatime einen aberwitzigen Plan: Abu Hassan stellt sich tot, als ihn der Kalif zuhause aufsuchen will. Fatime hingegen stimmt einen lauten Trauergesang an, der von der Bühnendebütantin Gerlinde Pohl wunderbar ironisch intoniert wurde, während Carsten Vollmert als zappelige Leiche seinen Beitrag zur Erheiterung des Publikums beisteuerte.
Leonie Herzog sang als kleiner Sandmann Hänsel und Gretel (Annette Beck und Gerlinde Pohl) erst in den Schlaf, bevor Ellen Geisel die beiden als Taumännchen wieder aufweckte. Als Magdalena aus Der Evangelimann beklagte Annette Beck anschließend den Verlust ihrer Jugend. Mit ihrer schönen Stimme, einer melancholischen Melodie, Haube, Schürze und Häkelzeug verwandelte sie die Bühne in einen tristen Hinterhof. Ähnlich traurig geht es in der Kavatine der Fatime zu, die der Oper Oberon entstammt. Eine Sklavin klagt darüber, dass sie verkauft werden soll, was von Gisela Starke mit großer Hingabe vorgetragen wurde. Ganz anders wiederum kam Carsten Vollmert mit der Arie des Lord Ruthwen aus Der Vampyr rüber, in der er herrlich stimmgewaltig eine ganz dunkle Gestalt darstellen konnte. Auch Klaus Gallenbachers zweiter Gesangsvortrag endete szenisch unglücklich: Zunächst stimmte er in der Arie des Primus das bewegende, aber verbotene Lied vom Kuhreigen an, um dann von zwei Soldaten (Silvester Tagger und Norbert Henß) abgeführt zu werden. Sein Gesang hingegen war wie immer ein Genuss. Silvester Tagger hatte sich im Folgenden die Arie des Max aus Der Freischütz vorgenommen. Sein Auftritt mit schöner Stimme und einigem schauspielerischen Talent machten die Verzweiflung des Jägerburschen wirklich nachvollziehbar.
Zu guter Letzt wurde es dann doch wieder fröhlich. Frauke Link glänzte als Frau Fluth aus Die lustigen Weiber von Windsor, die geradezu übermütig eine List ersinnt, um einen lästigen Galan zu verprellen. „Nichts sei zu arg, die Männer zu bestrafen“ findet diese. Frauke Link hatte sichtlich Spaß an der Arie, die ihr auch einiges an vorfreudigem Lachen in Form von Koloraturen abverlangte – und die sie bravourös meisterte.
Das Publikum war begeistert von so viel sängerischem Können und dem mit Hingabe dargebrachten Schauspieltalent. Mit viel Liebe zum Detail hatten die Protagonisten ihre Arien in die entsprechenden Szenen gebettet und damit für die Zuschauer wahrlich ein Stück Oper gegeben. Als Zugabe sangen alle Sängerinnen und Sänger gemeinsam den „Mondchor“ aus Die lustigen Weiber von Windsor: Das unter dem Dirigat von Norbert Henß in Piano angestimmte Stück bildete einen sehr stimmungsvollen Ausklang eines überaus gelungenen Konzertes.
Abschließend dankte Bürgermeister Seitz ganz besonders den Sängerinnen und Sängern, die er alle noch einmal einzeln vorstellte. Ein besonderer Dank gebührt auch den beiden Pianisten Friederike Wiesner und Norbert Henß, die im Wechsel jedes die vorgetragenen Lieder einfühlsam sowie professionell begleiteten. Kriftel kann sich glücklich schätzen, gleich zwei so ausgezeichnete Musiker gewonnen zu haben. Ein großer Dank geht natürlich auch an die beiden Dozenten Britta Jacobus und Dietmar Vollmert. Teilnehmer des Workshops und Publikum wünschen sich gleichermaßen noch viele weitere dieser Veranstaltungen!



(Christine Diegelmann)